BrixtonBoogie
Wenn Tom Waits über einen Song „I love your version very much!“ sagt, kommt das in Blues-Kreisen einem musikalischen Ritterschlag gleich. Krisz Kreuzer, Gründer des Blues-Kollektivs BRIXTONBOOGIE, freute sich also nicht zu knapp, als Waits seine Coverversion von dessen Stück „Way Down In The Hole“ kürzlich mit genau jenen Worten adelte.
„Way Down In The Hole“ ist eins von 16 Stücken auf dem zweiten BRIXTONBOOGIE-Album „Crossing Borders“. Für Kreuzer musikalisch „eine konsequente Weiterentwicklung“ ihres 2009 veröffentlichten Debütalbums „Urban Blues“, das damals Platz 1 der iTunes Blues Charts erreichte und mit dem das Kollektiv den Blues in die Gegenwart holte. Ein Vorhaben übrigens, das zufällig entstand, als der 1962 geborene Gitarrist, Mundharmonikaspieler und Produzent Kreuzer in seinem Hamburger Studio eines Tages auf seine alten Blues-Platten-Sammlung stieß. „Ich bin mit Blues aufgewachsen“, erzählt er. „Das ist eine Musik, die Bestand hat, Musik mit Würde und Haltung. Diese Haltung bewahren wir bei BRIXTONBOOGIE, aber wir wollen natürlich keine totgetretenen Pfade gehen. Keiner braucht die hunderttausendste Version von ‚Sweet Home Chicago’, und ich sehe mich auch nicht als Nachlassverwalter irgendeines Blues-Ghettos. Wir greifen den Blues auf, spielen und leben ihn aber im Hier und Jetzt.“
Wie schon auf ihrem Debüt, vereinen BRIXTONBOOGIE also auch auf „Crossing Borders“ Tradition und Moderne – mit dem Unterschied, dass dieses Mal noch mehr experimentiert wird. Deswegen auch „Crossing Borders“. „Weil wir grenzüberschreitend agieren“, so Kreuzer. „Vorher hat man gesagt ‚da ist ein Grenzübergang, lass uns da durch schlüpfen’, dieses Mal war es eher so, dass wir an einer Kreuzung standen und uns bewusst entschieden haben, einen bestimmten Weg zu gehen. Wo komm ich her? Wo will ich hin? So wie in der Geschichte von dem legendäre Blues-Musiker Robert Johnson.“ Glaubt man der Legende, begegnete Johnson an einer Kreuzung in Clarksdale, Mississippi, einst dem Teufel, dem er seine Seele verkaufte, um im Gegenzug ein begnadeter Gitarrist zu werden. „Nur, dass wir nicht unsere Seele verkauft haben“, lacht Kreuzer.
Blues und Soul, Rock und HipHop, aber auch eine Prise Funk sowie elektronische Einflüsse sind auf „Crossing Borders“ zu hören. Eigenkompositionen wie die von Sängerin Dede Priest mit beeindruckender Stimmgewalt dargebotene Soul-Pop-Nummer „Love Ain´t Just A Word“ oder der Dancehall-driven Blues-Track „Heaven“ der Sängerin Mascha Litterscheid stehen neben Neuauflagen alter Klassiker und eben „Way Down In The Whole“. Als großer Fan der US-amerikanischen Fernsehserie „The Wire“ musste Kreuzer sich das Stück einfach vornehmen. „Es ist der Titelsong der Serie, aber bei jeder Staffel in der Version eines anderen Künstlers, darunter die Blind Boys Of Alabama, Neville Brothers und Steve Earle“, so Kreuzer.
Der Album-Vorbote „John The Revelator“ derweil, der es genau wie „Urban Blues“ bereits auf Platz 1 der iTunes Blues Charts schaffte, ist ein traditioneller Gospel-Blues über das „Book of Revelation“. Die Melodie einer Spieluhr trifft darin auf einen bedrohlichen Beat und die tiefe Blues-Stimme von Sänger Wayne Martin. Und „Black Betty“, den die meisten wohl in der Version von Ram Jam kennen, ist in Wirklichkeit ein US-Folk-Song aus dem 19. Jahrhundert, den Rapper AJ in einen HipHop-getriebenen Elektro-Boogie verwandelt. „Black Betty war über die Jahre ein Pseudonym, ein Nickname, für die unterschiedlichsten Dinge“, so Kreuzer. „AJ hat dazu nun seine eigene Geschichte geschrieben und erklärt die Bedeutung von ‚Black Betty’.“
AJ, dessen Mutter aus Deutschland und Vater aus Benin stammt, ist übrigens als letzter zum Kollektiv gestoßen – und noch ein Beweis dafür, dass es bei BRIXTONBOOGIE keine Grenzen gibt. Schwarz, weiß, jung, alt, Mann, Frau, bei BRIXTONBOOGIE geht alles. „Wir sind ein internationales Drei-Generationen-Kollektiv“, so Kreuzer. „AJ ist gerade mal 22-Jahre alt. Wayne hingegen, der aus New Orleans stammt, ist mittlerweile 70, ein Zeitzeuge des Blues, der im Fillmore West in San Francisco seiner Zeit mal ein unbekanntes, junges Mädchen sah, zu der er sagte ‚Puppe, du kannst richtig gut singen’. Die Puppe war Janis Joplin.“
Dass BRIXTONBOOGIE so authentisch klingen, liegt auch an dem Zusammenschluss dieser interessanten Menschen, die Kreuzer da um sich geschart hat. Zufällige Begegnungen und gemeinsame Bekannte führten sie zusammen. Die Songs entstehen stets in Krisz Kreuzers Studio mit seinem Produzenten Partner Oliver Schmitt in einem Hamburger Bunker. „Ich habe meistens eine Vision, was ich machen möchte. Beats, Playbacks, das aufgreifen von Blues-Zitaten und Song-Themen, die ich weitergebe”, sagt er. „Dann trifft man sich und bringt die Ideen beim jammen und schließlich beim produzieren zusammen.“ So wird ein Bunker in Hamburg plötzlich zum Meltingpot des Blues. Da staunt auch Tom Waits.