Liedfett
Mit diesem aufgekratzten Hybrid aus Punk, Akustik-Pop, Sprechgesang und Liedermacherei braucht es nicht viel mehr als eine Begegnung und er verbleibt nachhaltig im eigenen System. Auch die Typen dazu lassen sich nicht vergessen. So eine Mischung aus eskalierter Klassenfahrt und Songwriter-Boygroup hat man eben einfach noch nicht erlebt.
Daniel, Lucas, Philipp und der übers Produzentenamt zum permanenten Mitglied auserkorene Bassist Victor Flowers (Kampfnamen: Feiern, Bügeln, Ballern und Mr. Love) besitzen etwas von den Daltons, den verschmitzten Tagedieben in unterschiedlichen Größen aus „Lucky Luke“. Die Hamburger griffen diese Vorlage von Anfang an auf und gestalteten die eigene Story offensiv visuell. So drehte der Regisseur Lars Jessen beispielsweise letztes Jahr zu „Schlaflied“ seinen allerersten Musikclip, darin brilliert Bjarne Mädel in beeindruckenden Schwarzweiß-Szenen abseits aller Rollenklischees. Zur vierten Platte „Phoenix aus der Flasche“ wird der filmische Aspekt nun endgültig zur Meisterschaft gebracht. Mit großen Einfällen gegen kleine Budgets anzutreten, ist eben auch Teil der Kunst. Selten aber gelingt es so gut wie hier.
Erst Anfang letzten Jahres erschien das Vorgängeralbum „Laufenlassen“, Liedfett spielten seitdem fast durchgehend. Konzerte, Konzerte, Konzerte! Das Projekt nahm so auch von der Resonanz her noch mal spürbar Fahrt auf. Diese gemeinsame Zeit, die Euphorie der Zuschauer, all das verdichtete sich, dass am Ende des Jahres klar wurde, diese Erlebnisse müssen jetzt in eine Form gegossen werden – und was wäre dafür passender als eine neue Platte? Das Album als Essenz.
Ein Großteil des neuen Materials wurde dabei live im Studio eingespielt, um noch mehr der eigenen Unmittelbarkeit einfangen zu können. Außerdem löste ein komplettes Drumset die bis dato vorherrschende Cajón ab. Chaos und Kontrolle sowie ganz viel Intuition bestimmen allerdings auch die neuen Songs – und auf der Element-Of-Crime-Coverversion „An Land“ wird sogar mal breiter Hamburger Schnack ausgepackt. Wobei man das Original selbst nie hat hören können, sondern sich in die grassierenden Pfadfinderlagerversionen davon verknallte. Bei dieser Band muss man eben mit allem rechnen.
Wobei eins allerdings sicher ist, die Kunst des Liedermachens hat spätestens mit diesem Album alle Genregrenzen gesprengt, Liedfett tragen sie im Rucksack und laufen schon wieder los. Das Beste, was man da machen kann: Einfach hinterher!
Text: Linus Volkmann